Projekt
„Gesund sind wir stark! – Sağlıklı daha güçlüyüz!“

Das Projekt „Gesund sind wir stark! – Sağlıklı daha güçlüyüz!“ wurde von 2007-2010 vom ZAGG – Zentrum für angewandte Gesundheitsförderung und Gesundheitswissenschaften GmbH in Kooperation mit der Plan- und Leitstelle Gesundheit des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin unter der Leitung von Detlef Kuhn erfolgreich durchgeführt.

Allgemeine Hintergrundinformationen

Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist der von der Fläche her kleinste, dafür aber am dichtesten besiedelte Bezirk Berlins. Im Bezirk leben rund 261.706 Einwohner (Stand: 30. Juni 2008) auf einer Fläche von 20,2 km2. Mit einer hohen Arbeitslosenrate (22,5 Prozent), einem hohen Anteil an Sozialhilfeempfängern, einem niedrigen Wohnungsstandard mit hoher Belegungsdichte und dem für Berlin höchsten Anteil an Kindern unter 15 Jahren weist der Bezirk vielschichtige soziale und gesundheitliche Probleme auf.

In Friedrichshain-Kreuzberg liegt der Anteil übergewichtiger Kinder zum Zeitpunkt der Einschulung bei 7,1 Prozent, der Anteil der adipösen (krankhaft übergewichtigen) Kinder bei 5,5 Prozent. Kinder mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund sind mit 12,4 bzw. 9,2 Prozent wesentlich häufiger übergewichtig, sie sind auch wesentlich häufiger adipös (9,8 Prozent bzw. 10,3 Prozent) als ihre Altersgenossen deutscher Herkunft (4,2 Prozent übergewichtig, 2,6 Prozent adipös) (Daten aus der Einschulungsuntersuchung 2008).

Gleichzeitig verfügt der Bezirk über besondere Ressourcen: eine große Vielfalt der Kulturen, eine reiche Projektelandschaft, eine nachbarschaftliche Kiezstruktur, eine lange Tradition der Bürgerbeteiligung und eine sehr engagierte Bezirkspolitik, dazu unten Näheres.

Zielgruppe

Die Zielgruppe des Projekts sind Schwangere und ihre Angehörigen und Familien mit Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren, maximal bis 6 Jahren, vorrangig mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund. Ältere Kinder in diesen Familien werden von der Intervention ebenfalls berührt,  sind aber nicht vorrangige Zielgruppe.

Ziele

Ziel der Beratungsarbeit mit der Zielgruppe ist es, gesundheitsfördernde, kindliches Übergewicht vorbeugende Anteile im Lebensstil der Familien mit türkischem/arabischem Migrationshintergrund zu verstärken. Mit Hilfe des systemischen Beratungsansatzes wird schwerpunktmäßig auf die Themen „Ausgewogene Ernährung der Schwangeren und in Familien mit Kindern“ und „Bewegung von Kindern (und ihren Bezugspersonen) im Alltag und durch sportliche Aktivitäten“ eingegangen. Erster Projektschritt bis Juni 2008 war die Qualifizierung von 60 zum großen Teil muttersprachlichen Multiplikatoren in den Bereichen „Ausgewogene, Übergewicht vorbeugende Ernährung“, „Bewegungsförderung“ und „Systemische Beratung“. Die Multiplikatoren flechten die Schulungsinhalte in ihre privaten und beruflichen Aktivitäten ein. Dabei werden sie von einem systematischen Qualitätsmanagement-Programm unterstützt.

Bis 2009 konnten die gesetzten Projektziele erfolgreich erreicht werden, so dass in einer zweiten, einjährigen Förderphase weitere MultiplikatorInnen ausgebildet werden sollten. Zusätzlich wurde der Fokus auf die Institutionalisierung der Beratungsangebote aller MultiplikatorInnen gerichtet. Mit Hilfe einer Koordinationsstelle sollte dies möglich werden. Durch sie könnten die MultiplikatorInnen koordiniert und vermittelt werden.

Vorerfahrungen der Beteiligten, bisherige Projekte

Zahlreiche Initiativen, Vereine im Bezirk und Abteilungen der Bezirksämter im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg befassen sich mit der sozialen Betreuung von Familien (siehe „Netzwerk“). So wurden die Einrichtung des Kreuzberger Geburtshauses unterstützt und Geburtsvor- und -nachbereitungskurse (auch türkisch/arabisch), PEKIP-Gruppen und Eltern-Kind-Selbsthilfegruppen angeboten. Es wurden Wegweiser für Schwangere in Kreuzberg und für „Junge Familien im Friedrichshain-Kreuzberger Kiez“ erstellt und auch in türkischer Sprache veröffentlicht. Außerdem existiert eine Anlaufstelle für die Probleme von Vätern. Der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst besucht regelmäßig junge Mütter im Kreuzberger Klinikum „Am Urban“. Seit 1999 gehört der Bezirk dem Gesunde-Städte-Netzwerk der Bundesrepublik an. Im Zuge dieser Beteiligung wurde eine systematische Gesundheitsförderung mit Kindern, Jugendlichen, Familien und insbesondere sozial Benachteiligten etabliert sowie die Verbesserung der gesundheitlichen und psychosozialen Situation von MigrantInnen verstärkt in Angriff genommen.

Netzwerk

Das ZAGG Zentrum für angewandte Gesundheitsförderung und Gesundheitswissenschaften GmbH (in Kooperation mit der Plan- und Leitstelle Gesundheit im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin) haben die Projektkoordination und die Verantwortung für Verwaltung und Finanzierung inne.
Das Konzept wurde von diesen beiden Partnern gemeinsam mit SW – Ernährungswissenschaftliche Dienstleistungen entwickelt. Weitere Netzwerkakteure sind unter anderem der „Arbeitskreis Gesundheitsförderung vor und nach der Geburt“, der Verein AKARSU, das Bayouma-Haus, die Türkische Gemeinde zu Berlin, das Väterzentrum MANNEGE, der Verein Gesundheit Berlin e. V., der Berliner Hebammenverband, verschiedene (Kinder-)Ärzte, das Vivantes Klinkum Am Urban, Kotti e. V., die Interkulturelle Familienberatung des Arbeitskreises Neue Erziehung, das AWO-Begegnungszentrum im Bezirk, die Quartiersbeauftragten „Soziale Stadt“, vier interkulturelle Familien- und Stadtteilzentren, der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst und verschiedene Einrichtungen der interkulturellen Familienhilfe im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

Interventionsansatz

Die grundlegende Interventionsstrategie besteht darin, vorhandene Ressourcen, die geeignet sind, Übergewicht bei Kindern mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund vorzubeugen, weiter zu entwickeln. Zu diesem Zweck wurden 60 MultiplikatorInnen in den Bereichen „Ausgewogene Ernährung, Vorbeugung von Übergewicht, Bewegung im Alltag, Förderung der Entwicklung und körperlichen Aktivität der Kinder, Systemische Beratung im individuellen Kontext“ qualifiziert.
Die Multiplikatoren sind z. B. als Hebammen, SozialarbeiterInnen und ErzieherInnen berufstätig und beziehen die Projekt-Themen in Aktivitäten in ihrem üblichen beruflichen Umfeld ein. Sie starten aber auch, angeregt durch die Qualifizierung, neue Aktivitäten (z. B. Einbeziehung von Ernährungsberatung bei der Neugründung eines Gesundheitszentrums durch eine Hebamme). Diese Gruppe der professionellen BeraterInnen wird von uns „GesundheitstrainerInnen“ genannt.

Ein Teil der Multiplikatoren sind Muttersprachler, die bisher nicht als PädagogInnen oder in Gesundheitsberufen tätig waren, aber beraten möchten. Sie sind die „GesundheitsmentorInnen“, sie setzen die Ausbildungsinhalte in ihrem privaten Umfeld um. Oder sie schließen sich bestehenden Initiativen mit einem Angebot zum Thema „Übergewichtsprävention bei Kindern“ an, zum Beispiel, in dem sie als KulturmittlerInnen in Kooperation mit den Gesundheits- oder sozialen Berufen arbeiten.
Bei dieser Beratungsarbeit werden TrainerInnen und MentorInnen durch regelmäßige Supervisionen und Qualitätszirkel-Treffen in ihren Aktivitäten begleitet und gefördert. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Aktivitäten zielorientiert verlaufen und jede mögliche Unterstützung gewährt wird. Ab Februar 2010 wurden anschließend weitere GesundheitsmentorInnen ausgebildet sowie die Einrichtung einer Koordinationsstelle ermöglicht, die auch über den Projektzeitraum hinaus bestehen bleibt.

Erfolge

Die Projektthemen ergänzen die bereits bestehenden Aktivitäten der sozialen und Gesundheits-Berufe in unseren Gruppen. Es haben sich TeilnehmerInnen gefunden, die an den Themen „Ernährung, Bewegung, Übergewichtsprävention“ großes Interesse mitbringen. Folgerichtig setzen die TrainerInnen und MentorInnen die Schulungsinhalte sofort in ihrem Umfeld um:

Diese Aktivitäten wurden von der Projektleitung systematisch gesammelt und ausgewertet. Außerdem wurden das Projekt bzw. die Beratungsaktivitäten der TeilnehmerInnen vom Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz evaluiert.

Erfreulicherweise konnte auch im Rahmen der externen Evaluation belegt werden, dass die MultiplikatorInnen die Themen der Ausbildung gut in ihre beratenden Tätigkeiten einbinden können. Über die vorrangige Beratung von Eltern, in denen ihnen eine gesunde Ernährung nähergebracht wird und sie zu mehr Bewegung motiviert werden sollen, profitiert letztlich auch die Zielgruppe, Kinder zwischen 0 und 6 Jahren, von der einsetzenden Verhaltensänderung der Eltern.
Auch der Abschluss der zweiten Förderphase von 2009-2010 zeigte, dass die ausgebildeten GesundheitsmentorInnen ihre Erfahrungen mit dem Projekt gern in andere Kontexte weitertragen.

Mit der Einrichtung der Koordinationsstelle und deren personeller Besetzung ab April 2010, konnte ein weiterer Erfolg verbucht werden. Mehr und mehr sollen alle im Rahmen des gesamten Projektes ausgebildeten MultiplikatorInnen hierüber koordiniert und vermittelt werden. Dafür wurde eine BeraterInnenkartei aufgebaut, die eine bestmögliche und individuell an die Bedürfnisse des Interessenten angepasste Vermittlung gewährleisten soll.

Detaillierte Aussagen zum Erfolg der zweiten Förderphase können erst nach Abschluss der externen Evaluation gemacht werden, welche derzeit erneut durch das Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durchgeführt wird.

Stand: Dezember 2010